1999
Etwa 4 Millionen deutsche Volkszugehörige sind seit 1950 nach Deutschland gekommen. Die Hälfte von ihnen ist seit 1990 eingewandert.
Im Januar beginnt die CSU, unter dem Vorsitz von Edmund Stoiber, ihre Unterschriftaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, der sie ein „massives Gewaltpotential“ attestiert. Beobachter sind der Auffassung, dass der Erfolg der Kampagne zum Wahlgewinn der CDU in Hessen führt, wo im Vorfeld der Landtagswahlen unter Ministerpräsident Roland Koch die bayerische Unterschriftenkampagne kopiert wird.
Im Februar finden in vielen deutschen Städten Demonstrationen gegen die Festnahme Abdullah Öcalans, flüchtiger Anführer der Partiya Karkerên Kurdistan (PKK), durch den türkischen Geheimdienst in Kenia statt. In Berlin leben etwa 60.000 Kurden, die meisten kommen ursprünglich aus der Türkei. Kurdischer Herkunft sind auch viele der 7.000 Iraker, 2.000 Iraner und 1.300 Syrer, die in Deutschland leben.
Frankreichs und Deutschlands Innenminister vereinbaren, sich auf ein einheitliches Abschiebeverfahren zu einigen und eine gemeinsame Zielsetzung für die Zuwanderungspolitik beider Länder auszuarbeiten.
Am 1. Mai tritt der Vertrag von Amsterdam in Kraft. Er novelliert den Vertrag von Maastricht und überträgt die Zuständigkeit für Asyl- und Migrationspolitik an die EU. Die Mitgliedsstaaten beschließen, Europa zu einem gemeinsamen „Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts“ auszubauen.
Im Juni verpflichten sich die Bildungsminister der 29 EU-Länder in der sogenannten Bologna-Deklaration, einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen und vergleichbare Abschlüsse und Leistungsstandards einzuführen. Bis 2010 müssen so alle Studiengänge auf den Bachelor sowie den Master umgestellt werden. Die grundlegende Reform zielt darauf ab, die Berufsmöglichkeiten von Studierenden und Lehrenden zu erweitern und deren Freizügigkeit innerhalb Europas zu erleichtern.
1998
Das Innenministerium gibt bekannt, dass 9,37 Millionen Ausländer in Deutschland leben. Etwa 2,1 Millionen von ihnen sind Türken, und jeder vierte kommt ursprünglich aus einem anderen EU-Land.
Die Islamische Föderation in Berlin verklagt erfolgreich den deutschen Staat und erhält die Erlaubnis, islamischen Religionsunterricht (auf Türkisch) an staatlichen Schulen auszurichten. Islamische Religionslehrer werden in der Türkei angeworben.
Innenminister Manfred Kanther erklärt 1998 zum „Sicherheitsjahr“ und schlägt schärfere Maßnahmen gegen illegale Zuwanderer vor.
Im Februar wird auf der Innenministerkonferenz beschlossen, algerische Asylbewerber trotz menschenrechtlicher Bedenken wegen drohender Verfolgung in Algerien weiterhin abzuschieben. Im Jahr zuvor wurden nur 2 Prozent der von Algeriern gestellten Asylanträge anerkannt.
In Nordrhein-Westfalen haben misshandelte Ausländerinnen die Möglichkeit ein Visum für sich allein zu beantragen.
Im März widersetzt sich die Regierungskoalition einer Reformierung des 1913 erlassenen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes.
Im Mai teilt Außenminister Klaus Kinkel mit, dass Deutschland finanzielle Hilfsmittel für Länder, die sich weigern, ihre von Deutschland abgeschobenen Staatsangehörigen aufzunehmen, zurückhalten wird. Die Abschiebeentscheide betreffen Ghana, Nigeria, Togo, Gambia, den Sudan, Vietnam, Bangladesch, Sri Lanka und Indien.
Im Juli setzt sich die CDU in ihrem Wahlprogramm für eine Reduzierung des Wohngeldes für Ausländer ein und spricht sich gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft aus. Baden-Württemberg verbietet muslimischen Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches im Unterricht.
Gerhard Schröder (SPD) gewinnt die Wahlen und bildet eine Koalitationsregierung mit den Grünen.
Im November kündigt Marieluise Beck (Grüne), Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, ihr Vorhaben an, Deutschlands Selbstverständnis als „Einwanderungsland“ voranzutreiben.
1997
Am 1. November tritt das Gesetz zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrecthlicher Vorschriften in Kraft. Die neuen Regeln erleichtern beispielsweise die Ausweisung und Abschiebung krimineller Ausländer.
Deutschland verhängt eine Visumspflicht für Kinder, die aus Bosnien und Herzegowina, der Jugoslawischen Republik, Kroatien, Makedonien, Slowenien, der Türkei und Tunesien stammen.
1996
Der Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz zum Schutz von Minderheiten nach Europäischen Richtlinien findet im Bundestag keine Zustimmung.
Vom 15. bis zum 16. Mai findet zum ersten Mal der Karneval der Kulturen in Berlin statt.
1995
In Deutschland leben etwa 7 Millionen Ausländer ohne deutschen Pass.
Gemeinsam mit anderen Staaten fordert Deutschland die Türkei auf, sich bei militärischen Einsätzen gegen Kurden im Nordirak zurückzuhalten.
Das Schengener Abkommen (bereits 1985 konzipiert) tritt in Kraft. Somit fallen Pass- und Grenzkontrollen innerhalb der meisten EU-Mitgliedstaaten weg. Der „Schengen-Raum“ schließt Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Malta, Portugal und Spanien ein. Die drei letztgenannten Länder mit EU-Außengrenzen werden die Hauptanlaufpunkte für Flüchtlinge aus Afrika.
Nach Abschluss des Friedensabkommens von Dayton im Dezember wird die Mehrheit der bosnischen Flüchtlinge zurückgeschickt. Etwa 80.000 von ihnen verbleiben in Deutschland.
Die Welthandelsorganisation (WTO) wird gegründet. Sie soll freien Handel zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen, fördern und überwachen. Deutschland ist Gründungsmitglied, zusammen mit allen 25 EU-Staaten und 75 anderen Staaten.