2014
Eine zu Anfang des Jahres durchgeführte ARD-Umfrage deutet auf einen Stimmungswechsel der deutschen Bevölkerung beim Thema Zuwanderung hin: 68 Prozent der Befragten befürworten die Einwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Eine Umfrage der britischen Marktforschungsorganisation Ipsos Mori bestätigt diesen Trend ebenfalls. Die zustimmende Bewertung von Zuwanderung steht offenbar in Zusammenhang mit der positiven Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Lage.
Am 20. Februar fragt sich Maxim Biller in der Zeit, „warum die deutsche Gegenwartsliteratur so unglaublich langweilig ist?“ Biller glaubt, der Grund dafür liege in der Anpassungswut migrantischer Autoren und in der Abwesenheit „lebendiger“ migrantischer Stimmen. Billers Artikel löst die nächste Literaturdebatte in den deutschen Feuilleutons aus.
Ende Februar rügt die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) Deutschland für den laxen Umgang mit Rassismus und Diskrimination. Zwar hätte Deutschland auch Fortschritte seit dem letzten Bericht aus dem Jahr 2008 gemacht, doch, so die Autoren, müssten beispielsweise rassistisch motivierte Beweggründe bei Straftaten stärker in Urteile miteinbezogen und mehr Aufklärung in Bezug auf LGBT-Personen geleistet werden.
Im März stellt die Bertelsmann Stiftung den „Globalisierungsreport 2014“ vor. Der Themenreport befasst sich mit der Frage, wer am stärksten von Globalisierung profitiert, und kommt zum Schluss, dass Globalisierung vor allem Industrieländern wie Deutschland nutzt. Während Industrieländer ihren Wohlstand weiter ausbauen konnten, profitierten Schwellen- und Entwicklungsländer im Vergleich eher wenig von Globalisierungseffekten.
Im gleichen Monat veröffentlicht der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) die Studie „Diskriminierung am Ausbildungsmarkt“, die feststellt, dass „Deutschland es mit einem ernsthaften Diskrimierungsproblem zu tun“ hat. So zeigte sich, dass fiktive Bewerber, die einen ausländischen-klingenden Namen hatten, mehr Bewerbungen schreiben mussten als Mitbewerber mit einem typisch deutschen Namen und gleichen Qualifikationen. Sie wurden zudem öfters ignoriert und geduzt. Eine andere Studie zur Benotung von Jura-Examen kommt zu vergleichbaren Ergebnissen.
Ende März einigt sich die Große Koalition nach langwieriger Diskussion auf einen Gesetzentwurf zur Doppelten Staatsbürgerschaft, der eine Änderung der bislang geltenden Optionspflicht beinhaltet. Wenn sich Kinder aus Nicht-EU-Ländern länger als acht Jahre in Deutschland aufgehalten, sechs Jahre die Schule in Deutschland besuchen oder einen deutschen Schulabschluss haben, dann können sie nun den deutschen Pass am Ende ihres 21. Lebensjahres beantragen, ohne ihre andere Staatsangehörigkeit abgeben zu müssen. Das Statistische Bundesamt berichtet im Juli, dass die Anzahl von Einbürgerungen in den letzten zwei Jahren relativ stabil geblieben ist.
Aus Protest gegen Russlands Verhalten in der Ukraine-Krise und der russischen Annexion der Krim schließen die G7-Staaten Russland aus der G8 aus. In Deutschland kritisiert der in Russland geborene Schriftsteller Wladimir Kaminer lautstark die russische Politik via Facebook.
Im März und April erzeugt Akif Pirinçcis Buch Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer eine heftige Debatte über deutsche Gesellschaftspolitik, die an die Diskussionen um Thilo Sarrazin erinnern. Während das Buch zum Bestseller wird und Zeitungsleser vermehrt ihre Solidarität für Pirinçcis Standpunkte bekunden, sprechen Kritiker von einem „Hass-Buch“ und verurteilen Pirinçcis Buch für seine menschenverachtenden Thesen.
Das gesamte Jahr über beherrschen die deutsch-europäische Flüchtlingspolitik und die ständig zunehmende Anzahl nach Europa kommender Flüchtlinge und deren Schicksal die öffentliche Diskussion. Im März werden dann auch zum ersten Mal zusammenfassende Statistiken über die Anzahl von vermissten und verstorbenen Flüchtlingen, die versuchten, nach Europa zu fliehen und dort Asyl zu beantragen, veröffentlicht: Das Projekt The Migrants Files, an dem mehrere europäische Journalisten beteiligt sind, kommt zu dem Schluss, dass etwa 23.000 Menschen seit dem Jahr 2000 gestorben sind oder vermisst werden. In einem 88-seitigen Bericht prangert auch Amnesty International die europäische Flüchtlingspolitik und deren Verantwortung für den Tod Tausender im Mittelmeer an. Im April berichtet Der Spiegel aus einem unveröffentlichten Bericht der Bundespolizei, dass die Anzahl von Flüchtlingen, die illegal nach Deutschland einreisen, weiter ansteigt. Asylanträge hätten um 70 Prozent zugenommen, wobei, wie das Bundesinnenministerium einen Monat zuvor mitteilte, nur wenige dieser Anträge auch bewilligt werden. Die Anzahl an bewilligten Anträgen steigt aber allgemein. Viele der abgelehnten Anträge stammen von Asylbewerbern aus den Balkanstaaten. Einige dieser Länder werden ab Mitte des Jahres dann auch als sichere Herkunftsländer eingestuft. Es wird zudem über weitere Maßnahmen diskutiert, die eine Abschiebung von Flüchtlingen erleichtern sollen. Afghanen, die der Bundeswehr bei ihrem Einsatz in Afghanistan Hilfe leisteten, erhalten ohnehin nur selten eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Nach anderthalb Jahren wird Anfang April ein provisorisches Flüchtlingscamp in Berlin-Kreuzberg geräumt: dessen Bewohner hatten gegen die deutsche Asylpolitik und ihren Aufenthaltsstatus protestiert. Zur gleichen Zeit harren Flüchtlinge in der Berliner Gerhart-Hauptmann-Schule aus, wo die Lage Mitte des Jahres zunehmend eskaliert. Eine ungefähr gleichzeitig erscheinende Studie über globale Migrationsströme zeigt allerdings, dass die weltweite Wanderung von Menschen in den letzten zwanzig Jahren relativ stabil geblieben ist. Der Zuzug von Asylsuchenden nach Deutschland geht auch einher mit vermehrter rechtsradikaler Gewalt, was auch der im Juni veröffentlichte Verfassungsschutzbericht 2013 zeigt: gewalttätige Angriffe auf Asylbewerberheime sind in den ersten Monaten des Jahres drastisch angestiegen. Im September kommt ans Licht, dass Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen in Flüchtlingsheimen Asylanten misshandelten: die Vorfälle erinnern an Folter in Abu Ghreib und die Polizei ermittelt in mehreren Fällen wegen Körperverletzung. Ende des Jahres werden drei Häuser in Vorra, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollten, in Brand gesetzt. Die öffentliche Diskussion dreht sich zunehmend um die Verteilung der entstehenden Kosten und die horrenden Bedingungen für Flüchtlinge in Deutschland. Anfang November beschließt der Bundestag, das Baurecht so zu ändern, dass Flüchtlingsheime von nun an auch in Gewerbegebieten entstehen können.
Ende April werden erste Zahlen zur Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren veröffentlicht, die seit Anfang des Jahres das Recht auf volle Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb Europas haben. Die Debatte um den Zuzug von Rumänen und Bulgaren und damit verbundene Sorgen um Armutsmigration hält bereits seit letztem Jahr an und spielt auch eine Rolle im Wahlkampf für die Europawahl 2014. So zeigt eine interne Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dass im Januar 80 Prozent mehr Rumänen und Bulgaren nach Deutschland gezogen sind als im Vorjahr. Im Februar sank diese Zahl dann auf 24 Prozent. Die Verantwortlichen der Studie betonen, dass die meisten Zuwanderer schnell eine Arbeit finden und somit nicht als „Armutseinwander“ gelten können.
Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) veröffentlicht die Studie „Migration Policy Debates: Is Migration Really Increasing?“. Der Bericht zeigt, dass Deutschland mittlerweile zum zweitgrößten OECD-Einwanderungsland, hinter den USA, aufgestiegen ist. Im Jahr 2009 belegte es noch den achten Platz. Ein Rückblick auf Deutschlands Bevölkerungszuwachs im Jahr 2013 zeigt, dass die deutsche Bevölkerung vor allem aufgrund von Einwanderung wächst.
Am 23. Mai hält der deutschiranische Schriftsteller Navid Kermani eine Rede im Bundestag zum 65. Geburtstags des Grundgesetzes. Kermani findet bewundernde Worte für das Grundgesetz und bedankt sich bei Deutschland für eine „grandiose Integrationsleistung“. Zugleich kritisiert Kermani die Änderung von Paragraph 16, die er als Abschaffung des Grundrechts auf Asyl bezeichnet, und erinnert an Deutschlands Versagen in der Flüchtlingspolitik und bei der Aufklärung der Morde durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Bereits einen Tag zuvor hatte auch Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede anlässlich der diesjährigen Feier des Grundgesetzes und der Einbürgerung von 23 Migranten Migration zum Thema gemacht und Deutschlands Vielfältigkeit gepriesen: „Es gibt ein neues deutsches ‚Wir‘, das ist die Einheit der Verschiedenen.”
Ende Mai sorgt der Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland für Kontroverse. Anhänger und Gegner aus ganz Europa stoßen in Köln aufeinander, wo Erdoğan in Deutschland lebende Türken erneut aufruft, sich zu integrieren, aber nicht zu assimilieren. Zu Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei kommt es auch wegen Erdoğans persönlichen Angriff auf den Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir. Nur einen Monat später besucht der türkische Ministerpräsident Wien. Sein Auftritt in Österreich stößt vor allem auf Unverständnis und führt zu Vergleichen mit den Türkenbelagerungen im 16. und 17. Jahrhundert.
Am 25. Mai wählt Deutschland mit dem restlichen Europa zusammen das Europäische Parlament. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) und ihr Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker gewinnen die Gesamteuropawahl. Wahlbeobachter sind vor allem über den starken Zuspruch für europakritische Parteien besorgt; so kamen rechtsorientierte Parteien auf insgesamt 19 Prozent. In Deutschland verliert die Union Stimmen, gewinnt die achte Europawahl aber vor der SPD. Die euroskeptische Partei Alternative für Deutschland (AFD) erhält zum ersten Mal 7 Prozent der Stimmen. Der Wahlkampf der Parteien wurde in Deutschland unter anderem durch die Kampagne der CSU gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme bestimmt. Slogans wie „Wer betrügt, der fliegt“ hatten bereits Ende des letzten Jahres für deutschlandweite Kritik und Streit in der Koalition gesorgt.
Anfang Juni wird die Studie „Die stabilisierte Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014“ veröffentlicht. Die Autoren zeigen, dass rechtsextremes Gedankengut in Deutschland in den letzten Jahren auf dem Rückmarsch ist. Allerdings ergeben die durchgeführten Umfragen, dass rechtsextreme Einstellungen, die sich auf bestimmte Gruppen beziehen, bezeichnet als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, stark zugenommen haben. Ausländerfeindlichkeit richte sich somit vor allem gegen Sinti und Roma, Muslime und Asylbewerber. Zudem sei Xenophobie weiterhin mehr verbreitet in Ost- als in Westdeutschland. Die vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung gleichzeitig veröffentlichte Studie „Neue Potentiale. Zur Lage der Integration in Deutschland“ kommt zum Schluss, dass Migranten sich der einheimischen Bevölkerung immer mehr anpassen. Um Integration weiter voranzutreiben und Migranten langfristig in Deutschland zu halten, „muss sich Deutschland international stärker als modernes Einwanderungsland positionieren und seine ‚Willkommenskultur‘ zu einer Selbstverständlichkeit machen.“ Das Jahresgutachten mit Integrationsbaromter, das der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) bereits im April herausgab, spiegelt ebenfalls ein ambivalentes Verhältnis der deutschen Gesellschaft zu Immigration wider: Vorbehalte gegenüber bestimmten Gruppen bleiben, gleichzeitig befürworten auch mehr und mehr Menschen Zuwanderung. Die deutsche Politik, so die SVR, zeichne sich ebenfalls durch diese Ambivalenz aus.
Anfang Juli entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) zugunsten einer türkischen Klägerin, deren Nachzug nach Deutschland verhindert worden war, weil sie den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse nicht erbringen konnte. Die Richter berufen sich in ihrer Entscheidung auf das EU-Assoziierungsabkommen mit der Türkei aus den 1970er Jahren. Deswegen behalten die Sprachtests für Zuwanderer aus anderen Nationen auch weiterhin Gültigkeit.
Eine im Juli erschienene Studie, im Auftrag des Mediendienstes Integration, zeigt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im Allgemeinen nicht mehr Straftaten begehen als Jugendliche nichtausländischer Herkunft. Das Gutachten widerspricht somit der gängigen populären Auffassung vom „kriminellen Ausländer“.
Der Juli 2014 dreht sich vor allem um die Frage, ob Deutschland im Angesicht des Gaza-Konflikts von einer neuen Anti-Semitismuswelle erfasst wird. Die „Operation Protective Edge“ der israelischen Streitkräfte auf den von der Hamas kontrollierten Gazastreifen führt auch zu heftigen Diskussionen und Demonstrationen in Deutschland. Auf Kundgebungen gegen Israel sind vermehrt anti-semitische Parolen im Umlauf. Das öffentliche Augenmerk richtet sich vor allem auf in Deutschland lebende Migranten und deren Einstellung zu Juden.
Ende Juli analysiert der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) das europaweite Blue Card Programm, das sich an Hochqualifizierte aus Drittstaatenländer richtet: „Die Blue Card hat sich in Deutschland bewährt. Die bislang über 16.000 erteilten Blue Cards sind ein gelungener Einstieg in eine offensive Einwanderungspolitik, diese Zahl muss aber noch deutlich ausgebaut werden. Das Potenzial der Blue Card als Instrument, Europa als Einwanderungskontinent attraktiver zu machen, ist allerdings bei weitem noch nicht ausgeschöpft.“
Anfang August lernt Mithat Gedit, der Ende Juli Schützenkönig in Sönnern-Pröbsting wurde, dass er seinen Titel wieder abgeben soll, weil er Muslim – und nicht Christ, wie die Vereinsstatuten es fordern – ist. Letztendlich darf er Schützenkönig bleiben, allerdings verbietet ihm der Dachverband sein Amt ab Bezirksebene auszuführen.
Im September gelingt es der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) in drei Landtagsparlamente (Sachsen, Brandenburg, Thüringen) einzuziehen. Der Erfolg der auch als „Anti-Euro“ bezeichneten Partei wird kritisch diskutiert. Eine im November von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) veröffentlichte Studie zu rechtsextremen Einstellungen zeigt, dass „unter den Wähler_innen der Alternative für Deutschland (AfD) ein überdurchschnittliches Ausmaß an Zustimmung zu chauvinistischen und ausländerfeindlichen Aussagen sowie Aussagen, die den Nationalsozialismus verharmlosen, festzustellen [ist]“.
Im Oktober veröffentlicht die Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) Ergebnisse zur jährlichen Befragung von türkeistämmigen Migranten. Die Autoren der Umfrage schlussfolgern, dass sich die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türkeistämmigen im Land zu Hause fühlen und deutsche Freunde haben.
Ende Oktober eskaliert der Kölner Aufmarsch der Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). In Köln kommen um die 3000 Personen zusammen, es kommt zur Randale. Die Gruppe ist bereits seit Monaten in mehreren Städten aktiv. Experten warnen vor weiteren Ausschreitungen und Gewalt zwischen Salafisten und den aus der Fußballszene stammenden gewaltbereiten Hooligans.
Anfang November verschlechtern sich die Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland: Premierminister David Camerons Überlegungen, die Freizügigkeit von EU-Bürgern zu beschränken, kontert Deutschland mit der Ansage, dass ein derartiger Beschluss zum Austreten der Briten aus der EU führen würde.
Etwa gleichzeitig kommt es wegen einer Karikatur von Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem deutschen Schulbuch zu Verstimmungen mit der Türkei.
Mitte November entbrennt eine Diskussion um ein geplantes Treffen zwischen LGBTI-Gruppen und Muslimen in einer Berliner Moschee. Das Zusammenkommen beider Gruppen stößt vor allem in der Türkei und bei älteren Gemeindemitgliedern auf geringes Verständnis. Aufgrund der negativen Reaktion findet das Treffen schließlich in der evangelischen Jerusalem-Kirche statt.
Im November rücken junge Muslime, die Europa verlassen und mit ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) in den Krieg ziehen, erneut ins Augenmerk der Öffentlichkeit. Besorgte Eltern wenden sich vermehrt an die Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie die Berliner Beratungsstelle „Hayat“.
Ende November veröffentlicht das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung eine Studie, die besagt, dass die deutsche Sprache für viele als das Hauptkriterium für nationale Identität angesehen wird. Die ethnische Herkunft rückt somit als ausschlaggebende Eigenschaft fürs Deutschsein in den Hintergrund. Die Studie zeigt aber auch, dass vor allem viele Vorurteile gegenüber Muslimen existieren.
Am 1. Dezember stellt die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) den Internationalen Migrationsausblick 2014 vor. Der Bericht bestätigt, dass Deutschland mittlerweile zum zweitwichtigsten Einwanderungsland nach den USA aufgestiegen ist, wobei die meisten Zuwanderer aus anderen EU-Ländern stammen. Der Bericht weist auf die relativ gute Eingliederung von Migranten in den deutschen Arbeitsmarkt hin.
Das Jahr endet mit einer Diskussion um Aussagen des Präsidenten des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Sinn bezeichnet die gegenwärtige Einwanderung nach Deutschland als „Verlustgeschäft“. Er berechnet, dass Migranten Deutschland mehr kosten als sie dem Land ökonomisch einbringen.
Im Dezember und vor allem zum Jahreswechsel dominiert der rasante Aufstieg des Dresdener Vereins PEGIDA, Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, die öffentliche Diskussion. PEGIDA organsiert seit Ende Oktober jede Woche montags Demonstrationen in der Dresdener Innenstadt, die sich hauptsächlich gegen die angebliche Islamisierung Deutschlands richten und eine Verschärfung der Asyl- und Zuwanderungspolitik fordern. Die Dresdener Organisatoren erfreuen sich über ständigen Zulauf, kurz vor Weihnachten versammeln sich über 17.000 Menschen vor der aus Protest nicht angestrahlten Semperoper. In weiteren deutschen Städten bilden sich Ableger, beispielsweise MÜGIDA in München und LEGIDA in Leipzig. Während in Dresden PEGIDA-Anhänger überwiegen, gehen in anderen deutschen Städten überwiegend Anti-PEGIDA-Demonstranten auf die Straße. Um Unterstützer wird gerade auch in den sozialen Medien geworben: PEGIDA gewinnt Facebook-Freunde, Gegner beziehen mit Hilfe einer Petition Stellung. PEGIDAs Kritik an der Voreingenommenheit der deutschen Medien drückt sich zusammenfassend in dem von Unterstützern progagiertem Wort „Lügenpresse“ aus, welches zum Unwort des Jahres 2014 gewählt wird – auch weil der Begriff im Ersten Weltkrieg und von den Nationalsozialisten verwendet wurde. In den deutschen und internationalen Medien überwiegen Diskussionen um den Umgang mit PEGIDA und der Frage, wie man gesellschaftlich und politisch auf das Phänomen reagieren soll. Klare Stellung bezieht Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache – wie bereits Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Weihnachtsansprache: „Heute rufen manche montags wieder ‚Wir sind das Volk‘. Aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion. Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!“